Dieser Fall lief so bei uns in der Kanzlei… Der Mandant freut sich über die hohe Abfindung und eine gute Tat für den Datenschutz war das ganze auch:
Außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber
Unser Mandant, der gelernte KFZ-Mechaniker A. ist seit über drei Jahren in der Werkstatt des B. festangestellt. Nach einem Inhaberwechsel verstand er sich nicht mehr so gut mit seinem Arbeitgeber. Es kam zu einigen direkten Konfrontationen und auch zu – zum Teil nicht mehr nachweisbaren – beiderseitigen Beleidigungen. In der Folge meldete sich A immer häufiger krank und fehlte teils sogar unentschuldigt.
Der Arbeitgeber reagierte mit einer Abmahnung. Nachdem der Arbeitgeber herausbekam, dass A seinem (angemeldeten) Zweitjob nachging, obwohl er in der betreffenden Zeit krankgemeldet war, kündigte er diesem.
Berechtigte Kündigung durch Arbeitgeber?
Eine solche Konstellation ist aus anwaltlicher Sicht schwierig: Durch die Ausübung der Nebentätigkeit hat der Arbeitnehmer gezeigt, dass er arbeitsfähig ist. Sein Nichterscheinen zur Arbeit ist daher als Arbeitsverweigerung zu werten und berechtigt den Arbeitgeber zur Kündigung. In einem Kündigungsschutzprozess bedeutet dies, dass die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers schwächer als üblich ist. Eine Abfindung herauszuhandeln ist also schwierig.
Durch gezieltes Nachfragen konnten wir jedoch herausfinden, dass der Werkstattbereich vom Arbeitgeber seit einem halben Jahr videoüberwacht wird. Anlass war ein Einbruch in die Werkstatt, bei dem unter anderem teures Spezialwerkzeug gestohlen wurde. Hinweise auf Diebstähle durch Mitarbeiter gab es hingegen nicht. Eine förmliche Einwilligung der Mitarbeiter in die Videoüberwachung hat es nicht gegeben.
Videoüberwachung am Arbeitsplatz rechtswidrig
Die Videoüberwachung ist rechtswidrig und stellt einen erheblichen Datenschutzrechtsverstoß dar. Zwar kann eine Überwachung von Geschäftsräumen im Einzelfall zulässig sein, hierbei müssen jedoch sehr strenge Voraussetzungen zu erfüllt sein:
- Die Videoüberwachung darf im Regelfall nur zur Aufdeckung von Straftaten erfolgen
- Es muss konkrete Hinweise auf eine bestehende Bedrohung (etwa durch Mitarbeiter) geben
- Die Überwachung einzelner Mitarbeiter kann zur Aufdeckung von schweren Pflichtverletzungen (konkrete Hinweise) eingesetzt werden, aber auch nur, wenn es keine anderen, geringeren Mittel gibt
- Im Regelfall ist auf die Videoüberwachung deutlich hinzuweisen
- Es muss in jedem Falle ein kontrollfreier Arbeitsbereich (Pausenraum / Umkleiden / usw.) bestehen bleiben
- Der Einsatz zur Überwachung der Arbeitsleistung ist im Regelfall rechtswidrig
Schmerzensgeld und Bußgeld nach Datenschutzverstoß
Diese Zusatzinformation veränderte die Verhandlungsposition des A innerhalb des Kündigungsschutzprozesses erheblich. A konnte nun mit eigenen Ansprüchen in’s Rennen gehen:
Insbesondere ergibt sich ein Schmerzensgeldanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DS-GVO gegen den Arbeitgeber. Wie hoch dieser zu bemessen ist, kann noch nicht abschließend gesagt werden. Die DS-GVO ist eine verhältnismäßig junge Verordnung und es gibt noch nicht ausreichend Rechtsprechung zu dem Thema. Man wird aber davon ausgehen können, dass die Beträge eine beachtliche Höhe erreichen können. Der Europäische Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass die Beträge eine abschreckende Wirkung haben müssen, um die Ziele der DS-GVO durchzusetzen.
Wir haben bei einer rechtswidrigen Videoüberwachung über den Zeitraum von sechs Monaten daher ein Schmerzensgeld von 8.000,00 € geltend gemacht.
Anzeige bei der Datenschutzaufsichtsbehörde?
Datenschutzrechtsverstöße haben allerdings noch eine weitere unangenehme Folge für den Arbeitgeber: Erfährt dieDatenschutzaufsichtsbehörde von dem Vorfall, so kann sie ein Bußgeld gegen den Arbeitgeber verhängen. Die in der DS-GVO geregelten Bußgelder können ebenfalls drakonische Höhen von – je nach Unternehmensgröße und Datenschutzverstoß –zehntausenden bis mehreren Millionen Euro erreichen. Es ist das gute Recht eines (ausgeschiedenen) Arbeitnehmers, den Datenschutzverstoß der Datenschutzauf-sichtsbehörde anzuzeigen.
Ob der Arbeitnehmer den Vorfall anzeigt oder – möglicherweise auf Grund einer gütlichen Einigung (Vergleich) mit dem Arbeitgeber – unterlässt, ist seine freie Entscheidung und damit eine mögliche Position in einer Vergleichsverhandlung.
Gütliche Einigung mit hoher Abfindung erzielt
In unserem kleinen Beispielsfall konnte auf Grund des Schmerzensgeldanspruches und des Hinweises auf eine mögliche Anzeige des Verstoßes bei der Datenschutzaufsichtsbehörde eine Einigung erzielt werden, die im sowohl im Interesse des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers lag.
So wurde ein einvernehmliches Ende des Arbeitsverhältnisses festgestellt, ohne verhaltensbezogene Gründe. Es gab also keine Sperrzeit durch die Bundesanstalt für Arbeit. A. erhielt für drei weitere Monate Gehalt bei gleichzeitiger Freistellung vom Dienst und eine Abfindung, in der der Datenschutzverstoß berücksichtigt wurde.
Weitere häufige Datenschutzverstöße
Gerade in Kündigungsschutzprozessen lohnt es sich, genau hinzuschauen, ob der Arbeitgeber in Sachen Datenschutz nachlässig war. Selbstverständlich geht es nicht darum, den Arbeitgeber zu „erpressen“. Allerdings sind berechtigte Ansprüche des Arbeitnehmers auf Grund von Datenschutzverstößen des Arbeitgebers ein möglicher Teil der Verhandlungsmasse. Je mehr „Masse“ der Arbeitnehmer auf seiner Seite hat, desto besser fällt am Ende der Vergleich (maßgeblich die Abfindung) aus.
Es lohnt sich daher, die nachfolgen klassischen Konstellationen im Auge zu behalten:
In vielen Firmen gibt es keine Vereinbarung oder Anweisung dahingehend, dass die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Infrastruktur nicht zu privaten Zwecken genutzt werden darf. So kommt es häufig vor, dass Arbeitnehmer auch private E-Mails über die Firmenadresse verschicken. Kontrolliert der Arbeitgeber dann – beispielsweise nach einer Kündigung – den gesamten E-Mail-Verlauf, ist dies ein gravierender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers.
Das gleiche gilt für die Kontrolle des Browserverlaufes. Auch hier ist allenfalls eine stichprobenartige Überprüfung der Nutzung durch die Arbeitnehmer zulässig.
Gerade in Unternehmen mit eigener Fahrzeugflotte kommt es immer wieder vor, dass der Arbeitgeber per GPS ganze Bewegungsprofile seiner Außendienstmitarbeiter erfasst. Die Überwachung der Position der Fahrzeuge kann im Einzelfall erlaubt sein, jedoch werden auch hier häufig nicht alle Voraussetzungen eingehalten, damit ein solches Vorgehen datenschutzkonform ist. Vereinfachend gilt die Faustregel: Die lückenlose Überwachung der Arbeitnehmer ist rechtswidrig.
Gerade in kleineren Unternehmen kommt es nicht selten vor, dass sensible Mitarbeiterdaten von allen Mitarbeitern des Unternehmens eingesehen werden können. So liegen beispielsweise die Bewerbungen inkl. ehemaliger Arbeitszeugnisse und die digitale Personalakte als einfach Dateien auf dem gemeinsam genutzten Server und eine unbestimmte Anzahl von Mitarbeitern hat ungehinderten Zugriff auf diese Informationen. Auch dies ist in der Regel ein massiver datenschutzrechtlicher Verstoß, der die oben dargestellten Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Wir beraten Sie gerne – die Schnittmenge zwischen Arbeitsrecht und Datenschutz ist für beide Seiten von enormer Wichtigkeit
Für Arbeitgeber können Datenschutzverstöße in mehrfacher Hinsicht teuer werden: Zum einen droht bei einem Bekanntwerden der Verstöße außerordentlich hohe Bußgelder nach der DS-GVO. Zum anderen haben betroffene Arbeitnehmer neben Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen auch ein starkes Druckmittel im Kündigungsschutzprozess in der Hand, welches sich letztlich immer in eine deutlich höheren Abfindungszahlung niederschlagen wird.
Wir beraten Sie gerne und führen Sie durch das rechtliche Dickicht des Datenschutzes im Arbeitsverhältnis.